Die 5. Staffel von Black Mirror | Auch den kreativsten Köpfen gehen die Ideen aus

Ich bin großer Fan der britischen Science-Fiction-Serie Black Mirror. Natürlich gefallen mir manche Episoden besser als andere, allerdings muss ich sagen, dass ich jede einzelne Folge für ihre innovativen Gedanken hinsichtlich der Themen Gesellschaft, Zukunft und Technik feiere. Zumindest galt dies bis zur sehr enttäuschenden 5. Staffel…

Netflix veröffentlichte am 5. Juni drei neue Folgen der Anthologie-Serie. In Striking Vipers, Smithereens und Rachel, Jack und Ashley Too schockiert Charlie Brooker, der kreative Kopf der Serie, den Zuschauer wieder mit unterschiedlichen Zukunftsvisionen. Oder er versucht es zumindest…

Striking Vipers

Unser Protagonist in der ersten Folge ist Danny (Anthony Mackie). Ihn begleiten wir in Ausschnitten durch seine wilden Jahre als junger Erwachsener, in denen seine Liebe zu Theo (Nicole Beharie) noch leidenschaftlich und seine Freundschaft zu Karl (Yahya Abduk-Mateen II) noch das Wichtigste in seinem Leben war. Aber dann vergehen die Jahre und bald findet sich Danny im monotonen Alltag wieder: Mittlerweile ist er mit Theo verheiratet und hat Kinder, der Kontakt zu seinem besten Kumpel Karl ist durch die Belastung von Familie und Beruf fast vollständig abgebrochen. Bis dieser überraschend an Danny’s Geburtstag auftaucht. Nach großer Wiedersehensfreude gibt es dann auch ein Geschenk, nämlich Striking Vipers – ein ähnliches Spiel wie Street Fighter. Nur eben als Virtual-Reality-Version. Bald finden die beiden Männer dann auch die Zeit, um miteinander zu zocken – Karl von seinem luxuriösen Appartement aus, Danny nachdem er endlich seine Pflichten als Familienvater erfüllt hat und sich auf das heimische Sofa werfen kann. Da sitzen nun also zwei Männer, beide auf ihre Art und Weise nicht zufrieden mit ihrem Leben und verwandeln sich in sexy Avatare, die gegeneinander kämpfen sollen. Richtig: Sollen. Denn die Lust wird zu groß, der Frust der realen Welt entlädt sich und Danny und Karl schlafen miteinander. Also ihre Avatare. Man kann sagen, was man will, aber das kam unerwartet.

In diesem Moment überrascht Striking Vipers tatsächlich. Ich persönlich habe mit einem komplett anderen Handlungsverlauf gerechnet und war daher erst einmal gespannt darauf, wie sich die Beziehung der Figuren durch diese Cyber-Affäre verändern wird. Dieses Szenario wirft erst einmal interessante Fragen auf: Was darf man im realen und im virtuellen Leben? Wo hört Treue auf? Wo beginnt Liebe? Spannende Ansätze, die nun nur noch wie gewohnt von den Machern verwandelt werden müssen. Und genau hier haben wir das größte Problem dieser Folge: Der überraschende Twist wird in keiner Weise ausgespielt. Okay, Karl und Danny schlafen miteinander – obwohl dies ja eigentlich auch nicht wirklich stimmt, schließlich sind es nur die Avatare, wenn auch im Virtual-Reality-Kontext. Diese Unterscheidung wird zwar ab und zu kurz angesprochen, jedoch nie vollständig ausdiskutiert. Aber wieso auch, schließlich bleibt das sexuelle Abenteuer – der Aufhänger dieser Folge! – ohne Konsequenzen. Danny, Karl und auch Theo ziehen keine Lehren aus diesem Techtelmechtel. Am Ende scheint jede Figur auf ihre Art und Weise irgendeine Krise überwunden zu haben und glücklich und naiv weiterzuleben.

Die letzten Szenen bedienen ein klassisches Happy-End. Das ist okay, vielleicht kann man die Geschichte wirklich auch in diese Richtung interpretieren – mit Black Mirror hat dies allerdings nichts mehr zu tun. In diesem Universum wurden Figuren doch immer für ihr Handeln bestraft, die Technik und ihre Entwicklung wurden dem Zuschauer immer mahnend präsentiert. Und jetzt auf einmal spielt all dies keine Rolle mehr? Wir sollen uns einfach entspannen, weil am Ende sowieso alles gut wird? Bullshit.

Striking Vipers überrascht also mit einem unvorhergesehenen Handlungsverlauf, kann dann allerdings weder in der Entwicklung der Figuren noch mit dem Ende punkten. Hier fehlt einfach der für Black Mirror typische Moral-Kompass.

Smithereens

Puh. Diese Folge hat mich wirklich ratlos zurückgelassen – und das meine ich leider nicht im positiven Sinn. Ich bin großer Fan des Schauspielers Andrew Scott, der in dieser Episode den Protagonisten Chris spielt. Und nur wegen ihm finde ich Smithereens einigermaßen erträglich. Aber von Anfang an: Chris entführt einen Mitarbeiter des Unternehmens Smithereens – welches stark an Facebook erinnert – und verlangt, den Chef des Social Media-Konzernes zu sprechen.

Leider wird es nun tatsächlich relativ schnell durchschaubar. Ich glaube, dass der Großteil der Zuschauer sehr schnell herausfindet, um was es in diesem Szenario wirklich geht. Das ist umso ärgerlicher, weil Smithereens auch nicht mit überraschenden Wendungen oder völlig verrückten Abweichungen von bekannten Erzählmustern auftrumpfen kann. Und so plätschert diese Folge einfach so dahin… lediglich von Scotts grandiosem Schauspiel wird man ab und zu wieder aufgeweckt.

Um nun die vollständige Lächerlichkeit dieser Folge begreiflich zu machen, muss aber erst einmal der “überraschende“ Twist am Ende in den Mittelpunkt rücken. Es stellt sich nämlich heraus, dass Chris einen Autounfall verursacht hat, bei dem seine Verlobte ums Leben gekommen ist – und all dies nur wegen Smithereens! Die süchtig machende Social Media-Plattform verleitet Menschen nämlich dazu, ihre Umgebung völlig aus den Augen zu verlieren, alles was dann noch zählt, ist die Sucht zu befriedigen und auf seinem Profil nach neuen Likes zu schauen. Wow. Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter und so weiter machen also süchtig und können im realen Leben krasse Konsequenzen haben? Eine wirklich überraschende Message.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin mir bewusst, dass es traurige Realität ist, dass hunderte Menschen pro Jahr sterben, weil sie selbst oder andere Fahrer mit ihrem Handy am Steuer hantieren. Das ist furchtbar, vor allem weil diese Tote gefühlt so unnötig sind. Aber leider ist dies eben schon die bittere Realität und hat dementsprechend keinen großem Impact in einer einst so vor Zukunftsdystopien strotzenden Serie wie Black Mirror. Wir sind uns der Gefahr der sozialen Medien heute bewusster als jemals zuvor. Wir kennen die Konsequenzen, die die Sucht nach Likes und Aufmerksamkeit haben kann. Für diese Message braucht es keine 70 Minuten. Nicht im Jahr 2019.

Smithereen langweilt mit einer einfallslosen Message und vorhersehbarer Handlung. Das Schauspiel von Andrew Scott und das Ende verhindern jedoch, dass diese Folge zu einem absoluten Desaster wird.

Rachel, Jack und Ashley Too

Während Striking Vipers mit einem überraschenden Twist und Smithereens mit großartigem Schauspiel von der enttäuschenden Handlung ablenken konnten, war Rachel, Jack und Ashley Too für mich die pure Folter. Schon der Plot dieser Episode hörte sich für mich furchtbar an: Die einsame Teenagerin Rachel ist großer Fan der Sängerin Ashley Oh (Miley Cyrus). Als eine Roboterpuppe in Anlehnung an ihr Idol – und mit dem kreativen Namen Ashley Too – auf den Markt kommt, muss Rachel diese sofort haben – und wird zunehmend besessen von ihr. Parallel hierzu gerät das Leben der echten Ashley außer Kontrolle. Ihre Managerin ist das Rebellieren leid und zieht drastische Konsequenzen: Sie vergiftet Ashley, sodass diese in ein Koma fällt.

Vielleicht war ich an diesem Punkt der neuen Staffel schon derart genervt, dass ich mir einfach nicht mehr vorstellen konnte, dass sich aus diesem Plot ein interessantes Konzept ergibt, in dem beispielsweise ein süßer Sprachroboter mit pinken Haaren durchdreht und die Menschheit unterjocht. Ich sollte jedenfalls recht behalten, denn was in Rachel, Jack und Ashley Too präsentiert wird, kann schlicht und einfach als Teeniedrama deklariert werden. Natürlich gibt es da diese Puppe, die irgendwann das Bewusstsein der echten Ashley in sich trägt, aber das ist völlig egal, denn im Vordergrund steht ganz klar die arme Rachel, die klischeehafter und langweiliger nicht sein könnte. Trotteliger Vater, tote Mutter, rebellierende Schwester, keine Freunde. Das absolute 08/15-Programm eben. Spannende Charaktere, tiefgreifende Handlung oder gar düstere Zukunftsdystopie? Absolute Fehlanzeige. Gleichzeitig wird in Rachel, Jack und Ashley Too viel zu viel auf einmal versucht. Der Zuschauer soll über die Missstände im Plastikpop-Business aufgeklärt werden, die Gefühlswelt eines Teenagers verstehen und dann auch noch die Rolle der Puppe interpretieren. 

All dieses Hin und Her endet dann schließlich versöhnlich und happy. Friede, Freude, Eierkuchen und alle lebten glücklich und zufrieden ohne Konsequenzen für ihr Handeln. Zum Abschluss fehlt also wieder die nötige Schlagkraft und so verpufft Rachel, Jack und Ashley Too in der Sekunde, in der der Abspann aufflimmert.

Leider finde ich an dieser Episode wirklich nichts gelungen. Die Handlung ist zu durchkonstruiert, die Figuren nerven ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch und überhaupt kommt es einem sehr komisch vor, dass dieses Teenie-Drama wirklich unter dem Namen Black Mirror läuft.

Fazit

Es ist nicht zu bestreiten, dass die fünfte Staffel von Black Mirror mit bis dato bekannten Strukturen bricht. Natürlich variierten die Themen und Figuren der Anthologie-Serie schon immer sehr stark und dieses abwechslungsreiche Konzept ist auch der Grund dafür, dass ich die Serie zu meinen großen Favoriten zähle. Ich erwarte nicht, dass jede einzelne Episode nach einem immer gleichen Muster abläuft. Wichtig ist mir vor allem, dass Black Mirror mit jeder Folge ihren Anspruch erreicht und der besteht darin, Menschen zum Nachdenken zu bringen. Über die Zukunft, die Technik und letztendlich auch über sich selbst. Und genau diesen Punkt habe ich in den neuen drei Folgen so schmerzlich vermisst. Jeder einzelne Handlungsstrang wirkt fast lächerlich oberflächlich, die Figuren haben keinerlei Tiefe und die so sehnsüchtig erwartete Dystopie bleibt aus und weicht einer positiven Stimmung. Für mich persönlich waren die Neuerscheinungen enttäuschend, weil sie mir einfach keine neue Erkenntnis anbieten konnten. Es fehlt an frischen Ideen, gewohnter Komplexität und knallharten Konsequenzen.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Macher von Black Mirror zur nächsten Staffel wieder mit beeindruckenden Ideen aufwarten können. Und bis dahin kann man ja zum Glück seine ganz persönlichen Highlight-Folgen anschauen.

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