Kevin Costner und Woody Harrelson machen im neuen Netflix-Film Highwaymen von Regisseur John Lee Hancock Jagd auf das berüchtigste Verbrecherpaar der Geschichte – und stellen dabei einiges richtig.
Kurz und knapp
Highwaymen ist seit dem 29. März 2019 auf Netflix zu sehen. Frank Hamer (Kevin Costner) und Maney Gault (Woody Harrelson) sind zwei pensionierte Highwaymen, die wieder in den Einsatz gerufen werden, um Bonnie und Clyde zu erledigen. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten, daher wollen wir uns zunächst einmal die Fakten ansehen.
Die Highwaymen
Diese Truppe wird 1823 ins Leben gerufen, um gegen die Indianer vorzugehen. Sie nehmen erfolgreich an mehreren Schlachten teil, die bekanntesten sind wohl der Cherokee-Krieg 1839 und der Kampf gegen die Comanchen 1840. In den nächsten Jahren werden die Highwaymen jedoch immer bedeutungsloser für die Regierung, sie geraten in Vergessenheit – bis 1910 eine Revolution gegen den mexikanischen Präsidenten Porfirio Díaz ausbricht. Ursprünglich als Grenzsicherung eingesetzt, töten die Männer in dieser Zeit etwa 5.000 Hispanoamerikaner willkürlich. Dies hat eine Neustrukturierung der Einheit über die nächsten Jahre zur Folge.
Über Frank Hamer – eine der beiden zentralen Figuren im Film – wird durch eine Biographie (Texas Ranger: The Epic Life of Frank Hamer, the Man Who Killed Bonnie and Clyde von John Boessenecker) bekannt, dass er sich in Texas vor allem durch seine Arbeit gegen den Ku Klux Klan einen Namen macht. So beschreibt der Autor in seinem Buch ein Szenario, in dem Hamer und seine Kollegen eine dunkelhäutige Frau, die Opfer einer Vergewaltigung wurde, vor einem sechstausend Mann starken Mob schützen.
Bonnie und Clyde
Die Namen werden wohl jedem Menschen ein Begriff sein. Das Verbrecherpaar erlangt Berühmtheit, als es eine Reihe schwerer Straftaten begeht, bei der zwischen den Jahren 1932 und 1934 neun Polizisten und vier Zivilisten kaltblütig ermordet werden. 1934 überfällt das Gangsterpaar die Gefängnisfarm Eastham, tötet zwei Wärter und befreit etliche Häftlinge. An dieser Stelle setzt auch der Film ein, die Highwaymen werden zu ihrer Verfolgung und Ermordung geschickt. Und sie erledigen ihren Job: Am 23. Mai 1934 werden Bonnie und Clyde in eine Falle gelockt und von den Fahndern mit 167 Kugeln ausgeschalten. Das Paar wird auf zwei verschiedenen Friedhöfen in Dallas begraben. Zu Bonnie Parkers Beerdigung kommen mehr als 20.000 Menschen, zu Clyde Barrows knapp 15.000.
Was an diesen beiden Kriminellen so heraussticht, ist ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, denn über die Jahre findet eine regelrechte Romantisierung der Mörder statt. Ob in Unterhaltungsfilmen wie dem von Arthur Penn inszenierten Bonnie und Clyde von 1967 oder in zahlreichen Dokumentationen, in denen immer wieder betont wird, dass die beiden doch bloß gesellschaftliche Rebellen waren, die die korrupten Banken der Depressionszeit ausraubten – das Paar wird als Helden gefeiert. Sie werden angebetet und bejubelt als seien sie Filmstars und keine kaltblütigen Mörder. Sie sind ein Phänomen, welches schließlich auch Einzug in unseren Sprachgebrauch findet. Betont ein Liebespaar, es sei wie “Bonnie und Clyde“ so symbolisiert dies eine Unzertrennlichkeit. Wie widrig die Umstände auch sein mögen, Bonnie und Clyde halten immer zusammen – bis in den Tod.
Ein neuer Ansatz
John Lee Hancock geht mit Highwaymen einen neuen Weg, er möchte nicht wie so viele vor ihm Bonnie und Clyde glorifizieren und so erzählt der Film in einer radikalen Konsequenz eine andere, neue Story, in der das Verbrecherpaar tatsächlich die Bösen sind. Dass der Regisseur ein Händchen für die Verfilmung realer Geschichten hat, konnte er bereits mit dem fantastischen Blind Side beweisen und so ist man als Zuschauer zunächst einmal wirklich gespannt auf den Gegenentwurf einer jahrzehntealten Legende. Und dieser wird gnadenlos umgesetzt: Bonnie und Clyde verschwinden im Hintergrund, nicht ihr Leben soll erzählt werden, sondern das der Guten, das der Männer, die das Morden stoppten. Diese Geschichte wird mit einem ungeheuren Hang zum Realismus erzählt. So sehen wir beispielsweise nicht dutzende Treffen zwischen Gut und Böse. Die Highwaymen agieren unauffällig und im Verborgenen bis ihr Moment zum Zuschlagen kommt. Eine Geschichte, in der Bonnie und Clyde mitspielen, aber nicht im Mittelpunkt des Interesses stehen? Kann das funktionieren?
Was stört an Highwaymen?
John Lee Hancock schreibt die Geschichte neu, er verteufelt Bonnie und Clyde und erkürt stattdessen seine zwei Protagonisten zu Helden. Aber das tut er an manchen Stellen nicht sehr reflektiert. In dem Etablieren der Boshaftigkeit des Verbrecherpaares ist der Regisseur sehr stark, aber auch zu vehement. Der Zuschauer bekommt gefühlt die ganze Zeit um die Ohren geworfen, dass Bonnie und Clyde keine guten Menschen und schon gar keine Ikonen sind. Das beginnt mit der ersten Szene, in der Reporter die texanische Gouverneurin Miriam Ferguson (gespielt von der großartigen Kathy Bates) fragen, ob die verliebten Kriminellen nicht doch als Robin Hood-Figuren gesehen werden könnten und dem darauffolgenden, sehr intensiven Erinnern von Ferguson an die zahlreichen von ihnen verursachten Toten. Und es zieht sich weiter durch den Film, in dem Hamer und Gault immer wieder zur Moralinstanz auserkoren werden. Zwei Männer wohlgemerkt, die auch schon zahlreiche Morde begangen haben. Und so fährt der Moralzug weiter: Immer, wenn die Highwaymen auf Figuren treffen, die mit dem Verbrecherpaar sympathisieren, hält Hamer eine große Rede über Verantwortung und Gerechtigkeit, die die Figuren dann schließlich auch umstimmt und zu Komplizen der Gesetzeshüter macht. Dieses Szenario ist vor allem im Treffen mit einem Tankstellenwart, aber noch stärker in dem Gespräch mit Clydes Vater erkennbar. Der erlaubt Hamer nämlich am Ende des Dialoges sogar, dass er seinen Sohn auf Sicht töten darf.
In diesen Szenen verliert Hancock ein wenig sein Ziel aus den Augen. Natürlich ist es seine Mission, den Zuschauern mit seinen Protagonisten endlich neue Identifikationsfiguren in der Bonnie und Clyde-Story anzubieten. Betrachtet man jedoch den kompletten Film, so wird klar, dass diese Männer gar nicht als Gutmenschen verstanden werden sollen. Auch sie haben ihre Fehler und auf diese konzentriert sich Highwaymen häufig. Es scheint fast so, als traue der Regisseur dem Zuschauer in manchen Momenten nicht zu, dass er selbst zwischen richtigem und falschem Handeln unterscheiden kann.
Was macht Spaß?
Dass diese im letzten Abschnitt beschriebenen Szenen eher eine Ausnahme sind, merkt man, wenn man den restlichen Film betrachtet, in dem Hancock seine Figuren als zerrissene Gestalten darstellt. Ihre Taten sind nicht spurlos an ihnen vorbeigezogen und der Zuschauer erkennt ihren Schmerz. Dies wird vor allem in einer Szene offenbart: Als Gault sich an eine Schießerei mit Schmugglern erinnert, in der er aus Versehen einen dreizehnjährigen Jungen erschoss, hängt der Zuschauer an Harrelsons Lippen und ist gebannt. Manche Sätze lässt der Film für Sekunden tonnenschwer im Raum stehen – und gibt dem Zuschauer somit die Chance, das soeben Gesagte selbst einzuordnen. Während Hamer die Figur ist, die im Mittelpunkt der Handlung steht, ist Gault eigentlich die interessantere. Bei ihr spürt man die Verzweiflung der vergangenen Taten, die Unmöglichkeit, sich selbst zu verzeihen. Harrelson spielt wie gewohnt brillant, die Figuren, die von Dämonen geplagt sind, liegen dem Schauspieler sowieso. Doch auch Kevin Costner macht Spaß. Er verkörpert den etwas in die Jahre gekommenen harten Kerl, der so gerne noch so agieren könnte wie zu seinen besten Zeiten. Aber das kann er nicht mehr. Heute ist er der Typ, der einen verfolgten Jungen nicht einholen kann, weil dieser locker über einen Zaun springt, er selbst jedoch an diesem hängen bleibt und gefühlt ewig durch Ziehen und Hüpfen versucht, doch noch über ihn klettern zu können. In diesen Szenen macht der Film wirklich Spaß. Zum einen, weil es einfach eine irre komische Einstellung ist, zum anderen, weil der Zuschauer in diesem Moment auch die Figuren näher kennenlernt. Er versteht, was Hamer und Gault damals für Typen waren und heute sind. Sie sind die Guten, die die Bösen jagen – auch wenn das für sie bedeutet, dass sie selbst manchmal zu den Bösen werden müssen. In ihnen lebt ein alter Moralkodex, in dem man Feuer mit Feuer bekämpfen darf. Deshalb ist es auch wichtig, dass der Film uns Zeit lässt, die Protagonisten durch kleine, unscheinbar wirkende Szenen kennenzulernen. Wir müssen verstehen, dass diese Männer in dieser Welt die Guten sind, auch wenn sie an manchen Stellen nicht so wirken. Und so erzählt Hancock ruhig und bedacht, bevor sich die ganze Anspannung schließlich in einer der letzten Szenen, bei der Ermordung von Bonnie und Clyde, so brutal und unaufhaltsam entlädt.
Fazit
Der Film kann aus zwei Gründen als sehenswert eingestuft werden: Zum einen sind die Hauptdarsteller mit Costner und Harrelson fantastisch gewählt, zum anderen präsentiert Hancock hier endlich etwas Neues, indem er Bonnie und Clyde als gewissenlose Mörder und nicht als romantisierte Idole darstellt. Wäre der Film im Kino ein Hit geworden? Nein, wahrscheinlich nicht. Nicht falsch verstehen: Highwaymen hat mir persönlich irre viel Spaß gemacht, aber der sehr langsam erzählte Buddy-Film mit Kriminalgeschichte wäre im Kino unter Superheldenverfilmungen untergegangen. Ein Großteil des Kinopublikums will heute das schnelle Spektakel, keine schönen Bilder mit intensiver Figurenentwicklung. Wahrscheinlich hätte sich wohl gar kein Studio gefunden, welches diese ungewöhnliche Geschichte hätte erzählen wollen. Und so kommt es, dass wir erst im Jahr 2019 diese Neuinterpretation rund um das berühmteste Verbrecherpaar der Welt geliefert bekommen – dank Netflix.