Avengers: Endgame | Das Ende einer Ära

Mit Avengers: Endgame geht der Kampf gegen Thanos in die letzte Runde. Die folgende Review wird spoilerfrei sein, alle Lesenden sollten jedoch bereits Avengers: Infinity War gesehen haben, da die Ereignisse dieses Filmes hier aufgegriffen werden. Wer überhaupt nichts über den Verlauf des finalen Kapitels erfahren will, der sollte mit dem Lesen besser warten, bis der Film angeschaut wurde.

11 Jahre sind seit Iron Man, dem ersten Film des Marvel Cinematic Universe, vergangen. Seitdem wurden unter diesem Franchise 21 Filme veröffentlicht. Und jetzt folgt Nummer 22 und das lang erwartete Finale einer Ära: Avengers: Endgame. Regie führten erneut die Russo-Brüder.

Kurz und knapp

Endgame setzt unmittelbar nach den Ereignissen von Infinity War ein. Die Hälfte des Universums wurde von Thanos mit einem einzigen Fingerschnippsen ausgelöscht. Unter den zu Asche Zerfallenen waren auch Mitglieder und Freunde der Avengers. Wie gehen die übrig gebliebenen Helden wie Captain America, Black Widow und Thor mit diesem harten Schlag um?

Macht Avengers: Endgame Spaß?

Zu Beginn eher nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Film in seiner ersten Hälfte nicht gelungen ist, im Gegenteil: Diese Phase ergänzt die Charaktere um völlig neue Facetten. Es scheinen die ersten Momente zu sein, in denen ihr Superheldendasein bröckelt und sie menschlich wirken. Zunächst steht kein großer Kampf gegen eine böse Macht im Mittelpunkt, sondern der Kampf mit sich selbst. Der Zuschauer spürt das Leid der Figuren und die Verzweiflung, die sich durch die nicht existente Chance, das Vergangene rückgängig zu machen, bei ihnen breit macht. Die Überlebenden haben keine Idee, wie sie ihre Freunde wiederbeleben sollen und gehen mit dieser Gewissheit der Machtlosigkeit jeweils ganz anders um.

Es ist schön anzusehen, wie die Schauspieler hier aufspielen. Endlich dürfen sie auch einmal zeigen, dass sie nicht nur gecastet worden sind, weil sie fantastisch aussehen während sie coole One-Liner aufsagen. Nein, der gesamte Cast, vor allem Scarlett Johannson und Jeremy Renner können mit ihrem schauspielerischen Talent überzeugen. Doch nicht nur bei diesen beiden, auch bei allen anderen Beteiligten merkt man, dass sie sich der Tragweite von Endgame bewusst sind. Und so wollen sie alle noch einmal ihr absolut Bestes aus sich herauskitzeln, sei dies nun in den ruhigen, den actionreichen oder den witzigen Szenen. Welcher Aspekt hiervon am ehesten überzeugt, das wird Geschmacksache sein. Sicher ist jedoch: Man muss möglichst alle anderen Filme des MCU gesehen haben, damit Endgame seine ganze Kraft entfalten kann.

Doch auch wenn die Russo-Brüder mit Endgame den wohl gefühlvollsten aller bisherigen Marvel-Filme geschaffen haben, kann der Film nicht nur durch die emotionale Bandbreite, sondern auch durch andere inszenatorische Mittel überzeugen. So hat sich wohl jeder Zuschauer ungefähr einen gewissen Handlungsablauf von Endgame im Kopf ausgemalt, bevor er durch die Kinotüren ging. Welche Wege werden eingeschlagen? Wie wird der Konflikt mit Thanos aufgelöst? Nun, ich glaube, dass nur die allerwenigsten Fans mit dem rechnen, was uns die Russo-Brüder hier präsentieren. Wir durchlaufen zahlreiche Twists, erleben unglaubliche Überraschungen, die uns zum Staunen und zum Lachen bringen.

Zwar müssen Actionfans einen Großteil des Filmes mit kleineren, dafür aber nicht minder großartigen Kampfszenen zufrieden sein, doch für das finale Battle hat sich dieses Warten dann auch wirklich gelohnt. An dieser Stelle wird natürlich nicht verraten, wer gegen wen kämpft, aber eines kann vorweg genommen werden: Was das MCU hinsichtlich Visual Effects erreicht hat, ist sowieso gigantisch. In Endgame wird nochmal eine Schippe draufgelegt.

Und auch der für dieses Franchise so typische Witz findet sich in Endgame wieder. Vor allem Thor ist es zu verdanken, dass die emotionale Anspannung immer zu den genau richtigen Zeitpunkten durch einen lockeren Spruch entladen wird. Es fällt schwer, zu glauben, dass es den Russo-Brüdern erneut gelungen ist, den charmanten Humor der Vorgängerfilme auf diese neue Situation zu adaptieren, doch hier vereinen sich Komik, Action und ganz große Gefühle nahezu mühelos.

Was gibt es an Endgame auszusetzen?

Für mich persönlich nicht sehr viel. Einzig die Anwesenheit von Captain Marvel ist für mich ein großer Störfaktor. Diese Figur, die sowieso erst seit wenigen Wochen im MCU zu finden ist, wirkt einfach wie ein Fremdkörper. Sie hat nichts zu der eingespielten Gruppendynamik der anderen Charaktere beizutragen.

Betrachte ich Avengers: Endgame objektiv, so kann ich mir gut vorstellen, dass es einige Fans geben wird, die mit dem Abschluss nicht zufrieden sein werden. Während ich persönlich kein Problem damit hatte, dass der Film in der ersten Hälfte sehr ruhig und gefühlsbetont die Reise der Figuren erzählt, werden andere Zuschauer sicherlich eher enttäuscht ob der emotionalen Betontheit des Filmes sein. Für mich bedeutet diese Inszenierung einen respektvollen und liebenswürdigen Abschied von vielen Helden. Andere hingegen werden ein Actionspektakel erwartet haben, welches Infinity War noch einmal gnadenlos übertrifft und dementsprechend eher enttäuscht aus Endgame rausgehen. Dieser Film ist nicht das aufgeladene Actionspektakel mit dem wohl der Großteil der Zuschauer angesichts des Titels gerechnet hätte. Er ist in vielen Teilen fast schon ein Charakterdrama, bei der die Auswirkungen der Geschehnisse aus Infinity War auf jede einzelne Figur in den Mittelpunkt gestellt werden.

Beide Seiten sind meiner Meinung nach nachvollziehbar.

Unbestritten ist jedoch, dass das MCU mit Endgame erneut ein großes Risiko eingegangen ist. Und das passt, lässt sich das Erfolgsrezept des Franchises doch ganz einfach in einem Satz zusammenfassen: Es ist ihm immer wieder geglückt, sich neu zu erfinden. Mit Iron Man erleben wir einen sprücheklopfenden Antihelden, der klassische Superhelden-Abenteuer erlebt. Mit Spiderman durchleben wir diverse Teenie-Dramen in einem charmanten High School-Umfeld. Wer es ernster und tiefgründiger mag, der findet in dem Politthriller The Return of the First Avenger was das Herz begehrt. Mein persönliches Highlight hat das MCU mit Guardians of the Galaxy geschaffen, einer verrückt kreativen Spacekomödie, die einem immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Worauf ich hinaus will: Marvel hat sich nie davor gescheut, Grenzen auszutesten und mit verschiedenen Genres zu experimentieren. Und auf diese Art und Weise ist ihnen gelungen, woran viele Franchises vorher gescheitert sind: Sie haben verschiedene Zielgruppen angesprochen, sind hierbei jedoch immer relevant geblieben.

Daher wirkt es für mich nur logisch, dass die Russo-Brüder sich mit einem großen Knall verabschieden wollen, diesen jedoch überraschend anders gestalten, als es die meisten erwarten dürften.

Der beste Kinomoment

Wie gesagt funktioniert Endgame meiner Ansicht nach vor allem über die emotionale Bindung zu den Helden, die wir seit über einem Jahrzehnt begleiten. Wie investiert man in die Figuren ist, dürfte recht schnell deutlich werden.

Wir kennen es alle: Der Film beginnt, aber der Kinosaal scheint noch nicht so ganz bereit zu sein. Die letzten Besucher unterhalten sich noch ein wenig, suchen vielleicht noch etwas in ihren Taschen. Es geht ein Rascheln und Flüstern durch den Saal. Und dann passiert etwas, was ich in diesem Ausmaß wirklich noch nie erlebt habe: Die erste Szene von Endgame läuft auf der Leinwand, sie neigt sich dem Ende zu und auf einmal ist es mucksmäuschenstill. Niemand redet mehr, so überraschend und emotional ist das, was gerade auf der Leinwand passiert. Nach nur wenigen Sekunden weiß jeder im Saal, dass es jetzt ernst wird.

Es ist eine große Freude die Reaktion anderer Kinobesucher in einzelnen Szenen zu beobachten, denn Endgame erreicht eine verrückte Kombination. Man möchte den Helden in ihren finalen Schritten zujubeln und sie anfeuern, hat jedoch gleichzeitig durchgehend Tränen in den Augen. Dies liegt vor allem daran, dass wir stets im Hinterkopf haben, dass wir nach diesen drei Stunden am Ende einer Ära angelangt sein werden. Jetzt kommt es drauf an. Es geht um alles.

Fazit

Es wird diejenigen geben, die sich nicht mit dem Film anfreunden können, weil er ihnen zu sehr aus dem bisher gekannten und etablierten MCU-Charakter heraussticht, es wird aber auch diejenigen geben, die Endgame genau deshalb feiern. Dieses Universum hat uns seit über einem Jahrzehnt immer wieder überrascht, wäre es da nicht fast enttäuschend, wenn dies beim Finale anders wäre?

Man merkt diesem Film und allen daran Beteiligten an, dass sie wissen, um was es hier geht. Die Schauspieler liefern richtig ab und auch handwerklich übertrumpft Endgame alles, was bisher aus diesem Universum kam. Bezüglich der Kamera, den Visual Effects und dem Sound Design ist Endgame wirklich ganz großes Kino.

Mit einer fantastischen Zentrierung auf die Charaktere, überraschenden Wendungen und gewohnt charmanten Momenten beendet Endgame eine epische Ära, die sich auch finanziell noch einmal ganz gewaltig für Marvel lohnen wird. Bereits am Startwochenende spielte der Film 350 Millionen Dollar in den USA sowie 1,2 Milliarden Dollar weltweit ein. Das MCU schaffte es über ein Jahrzehnt, seinen Erfolg immer wieder selbst zu überbieten. Ob es nun mit einem Film wie Black Panther ein weltweites Phänomen auslöst oder mit dem in Fan-Kreisen gar nicht so gefeierten Captain Marvel traumhafte Einspielergebnisse erzielt – das MCU regiert seit Jahren die Filmwelt.

Ich für meinen Teil bin wirklich gespannt, ob man nach Endgame wirklich die immer wieder betonte Überdrüssigkeit an Superheldenfilmen bemerkt und auch mal wieder andere Filme in den Interessenmittelpunkt der Kinoliebhaber rücken, oder ob die Ära der Superhelden noch lange nicht vorbei ist.

2 Kommentare zu „Avengers: Endgame | Das Ende einer Ära

  1. Hallo Lisa,

    danke für Deinen sehr umfangreichen Artikel zu endgame! Ich habe den Film selbst vor kurzem gesehen und kann Deine Meinung nur bestätigen. Es macht einerseits Spaß, den Film anzusehen; andererseits merkt man, daß eine Ära vorbei ist. Dankenswerterweise schliesst sich ja Thor den Guardians an – das lässt Platz für Spekulationen. Ich denke, hier werden wir noch einiges hören.

    Liebe Grüsse,
    Wolfgang

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    1. Hallo Wolfgang,

      Vielen Dank für deinen Kommentar! Es war gar nicht so leicht, die Review spoilerfrei zu halten, deshalb freut es mich wirklich sehr, dass dir der Artikel gefallen hat 🙂 Über die Kombination von Thor und den Guardians freue ich mich auch, da herrscht wirklich eine tolle Gruppendynamik!

      Liebe Grüße!

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